Zeiterfassung und Abrechnung

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Als ich vor über 10 Jahren in dieser Industrie anfing, galten noch ganz andere Rahmenbedingungen. Für "Kreative" gab es selten kleinere Abrechnungseinheiten als ganze Tage.
Heute sieht die Welt ganz anders aus. Vieles ist besser geworden, Einiges aber auch schlechter....

Als ich ganz zu beginn fragte, warum ein Cutter denn einen vollen Tag berechnet, obwohl er doch nur kurz eine Änderung an einem Film gemacht habe, wurde ich häufig unverständig angeblickt.
Natürlich war damals die Technik aufwändiger, unkomprimiertes Videomaterial konnte kaum in Echtzeit verarbeitet werden. Wenn es also damals um eine Änderung an einem kurzen Film ging, reichte es eben nicht, den Schnitt zu setzen und den Film neu auszuspielen. Häufig wurde nur mit Offline-Material gearbeitet, um einen sendefähigen Film zu bekommen musste in vielen aufwändigen Schritten zunächst in grober Form vorgearbeitet werden, um dann zur Beendigung der Arbeiten das Online-Material nachzuladen. Na, jedenfalls war es ein recht aufwändiges Unterfangen und ließ sich recht gut vorm Kunden verargumentieren. Jeder Arbeitsschritt bedingte eben einen vollen Arbeitstag.
Mit den Jahren wurde die Technik besser, man konnte direkt in voller Qualität arbeiten und überhaupt wurde die Kommunikation und der Versand der Daten durch die Verbesserung des Internets einfacher.
Es wurde irgendwann normal, dass eine Agentur mal fragte ob man denn anstatt eines vollen Arbeitstages vielleicht eher einen halben Tag berechnen könnte.
Irgendwann wurden halbe Tage in Masse zu ganzen Tagen zusammengebaut um möglichst günstig abrechnen zu können.
Soweit ich das überblicken kann, war ich einer der ersten und wenigsten, die ihre Zeiterfassung Stundenweise dokumentierten.
Das hatte für mich den Vorteil, dass ich Zeiten und Arbeitsaufwand für zukünftige Projekte viel besser einschätzen konnte. Leider habe ich den großen Fehler gemacht, diese Zeiterfassung (mittlerweile viertelstündlich) an meine Kunden auszuliefern. Sehr schnell kam der Wunsch auf, doch dann auch bitte auf Basis dieser Erfassung abzurechnen.
Zehn einzelne Stunden wurden zu einem Tag zusammengefasst und so abgerechnet.
Was dabei leider komplett außer acht gelassen wird ist die gesamte Administration um die Arbeitsaufträge herum. Der Wechsel zwischen laufenden Projekten läuft eben auch heutzutage nicht "mal so eben". Und wenn man gerade gedanklich an einem langen Projekt arbeitet, ist es sehr fordernd mittendrin auf ein anderes Projekt umzuschwenken.
Bei wirklich kleinen Aufträgen mag das noch gut zu überblicken sein, aber wenn man teilweise ganze Projekte absagen muss, nur weil vielleicht mittags eine Änderung von ca. einer Stunde ansteht, wirds wirklich ungemütlich.
Grundsätzlich habe ich nichts gegen effizientes und faires Arbeiten, ich behandle meine Kunden so, wie ich auch selbst behandelt werden möchte. Und wenn jemand seine Email gelöscht hat und nochmal schnell den Link zu einem Video braucht, dann hielte ich es für äußerst unanständig, für eine Arbeit von 3 Minuten einen kompletten Tag abzurechnen.
Aber - jetzt kommt das aber - wenn ich mich plötzlich für viertelstündliche Abrechnung rechtfertigen muss, und man von mir verlangt, doch bitte nur minutenweise Arbeitszeiten aufzuschreiben, dann werde ich echt unentspannt.
Bleibt die Frage wo das noch hinführen soll. Irgendwann wird eine Stoppuhr an der Maustaste befestigt, die nur den Moment des Klickens aufzeichnet. Und natürlich wird nur das dann abgerechnet...
Ich denke man sollte auch dieses "kreative" Business nicht mit "normalen" Arbeitstätigkeiten vergleichen. Kreativität läßt sich nun mal nicht planen oder in Stundenpläne quetschen. Und all die Gedanken, die man sich abseits des Monitors macht werden eben auch nicht vergütet.
Von daher wünsche ich mir sowohl von Seiten der Auftraggeber, als auch von Seiten der Dienstleister einen etwas verständigeren Umgang mit dem Thema Zeitabrechnung und Vergütung.

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